TANKE

ATELIER
 





Gedanken von Uwe Pfannschmidt

zur Eroeffnung der kleinsten Galerie

am 10. Dezember 2005

Rede zur Eeöffnung der Galerie
 

 Die Situation fuer die Bildende Kunst ist in Halver so geartet, dass selbst die Gruendung der

"Kleinsten Freiluftgalerie"

Hoffnung und freudige Erwartung aufkommen lassen muss.

Aus der ersten Regierungserklaerung der ersten deutschen Bundeskanzlerin haben viele Kommentatoren die Forderung: "Mehr Freiheit wagen!" als besonders wichtig fuer Deutschland apostrophiert und wir koennen nur hoffen, dass darin auch die Freiheit der Kunst eingeschlossen sein mag, da diese c aehnlich wie die Freiheit von Forschung und Lehre c von zwei Seiten her bedroht ist, sowohl in unserer deutschen Gesellschaft als auch weltweit.

Das Mienenfeld der Bedrohung liegt zwischen materiellen Zwaengen und dem religioesen Fundamentalismus. Beide haben in unserer Gesellschaft auf derart rasante Weise zugenommen, die sich vor 30 oder 40 Jahren niemand von uns haette vorstellen koennen. Man haette sie vielleicht sogar fuer eher ueberwunden gehalten, aber meine Generation war ja ohnehin im jugendlichen Überschwang in mancherlei Hinsicht leider zu leichtglaeubig. Wir haben wohl auch nicht fuer moeglich gehalten, dass Angst und Unsicherheit so viele Menschen lieber ins Gestern fliehen lassen koennten, wobei dieses Gestern bedrohlich nahe am Mittelalter mit seinen Hexenverbrennungen liegt.

Nun erwachen wir aus  - ich kann nicht sagen aus welcher - Benommenheit und reiben uns die Augen, wenn wir lesen, mit welchen frommen Parolen unsere westliche Fuehrungsmacht ihren Fuehrungsanspruch begruenden zu koennen glaubt. Und schon darf in einigen Staaten der USA in den Schulen und Universitaeten nicht mehr unterrichtet werden, was die Wissenschaft als richtig erkannt hat, nur weil diese Erkenntnisse einigen Texten in der Bibel, gemaeß dem Wissensstand ihrer Autoren, widersprechen. Fuer einen rechtglaeubigen Fundamentalisten, der der Ansicht ist, nur "sein Buch" sei ihm von Gott allein woertlich offenbart und alle anderen Religionsgruender koennen deshalb nur "Unglaeubige" sein, ist es ein Leichtes, sich ueber andere Erkenntnisse hinwegzusetzen, wenn sein Weltbild nicht zerbrechen soll.  Galileo Galilei laesst gruessen.

Nun koennte man sich ja troesten mit der Vorstellung, "die spinnen ja sowieso, die Amis, was geht das uns hier in unserem zivilisierten Land an", da entbloedet sich ein deutscher Ministerpraesident im vergangenen Monat nicht, oeffentlich darueber nachzudenken, wie die kreationistische Lehre - "intelligent design", die Wunderwaffe der christlichen Fundamentalisten gegen die Evolutionslehre - in den Schulunterricht einzubinden sei.

Die andere Front, an der Wissenschaftler wie Kuenstler mit dem Ruecken an der Wand kaempfen, ist die Herrschaft des Geldes. Seit wir zugelassen haben, dem Geld eine hoehere Bedeutung als der eines schlichten Werkzeugs zuzuschreiben, hat es sich verselbstaendigt. Nur wer Geld hat oder verdienen kann, wird noch als nuetzlich in der Gesellschaft wahrgenommen. Im Jahre 1900 veroeffentlichte der deutsche Philosoph Georg Simmel sein Hauptwerk "Die Philosophie des Geldes". Darin stellt er dar, wohin die Versachlichung des Lebens in der Moderne fuehrt und wir duerfen erstaunt sein, wie modern seine Gedanken zu diesem Thema vor mehr als einem Jahrhundert schon waren.

Simmel entwickelt sehr anschaulich und ueberzeugend die These, dass das Finanzwesen immer mehr Einfluss auf die Gesellschaft, die Politik und das Individuum erhaelt. Alles sei durch Geld bestimmt. Zwar habe die Verbreitung der Geldwirtschaft den Menschen auch Vorteile gebracht, wie die Überwindung des Feudalismus und die Entwicklung von modernen Demokratien. Allerdings sei in der Moderne das Geld immer mehr in alle gesellschaftlichen, politischen und privaten Bereiche eingedrungen und habe zu Strukturveraenderungen gefuehrt. Sogar das Selbstwertgefuehl des Menschen und seine Einstellungen zum Leben werden durch Geld bestimmt.
Die Geldwirtschaft entfremdet das Ich von sich selbst. Nur mit Meditation ist seiner Meinung nach ein Weg in ein Leben zum Mehr als-Geld moeglich.

Seine Aussage: Geld wird Gott, indem es als absolutes Mittel zu einem absoluten Zweck werde, veranschaulicht Simmel durch ein praegnantes Beispiel: Die Banken sind inzwischen groeßer und maechtiger als die Kirchen. Sie sind zum Mittelpunkt der Staedte geworden. Alles sinnlich Wahrnehmbare hat mit Geld zu tun. Der Mensch hat jedoch die Freiheit, nach Dimensionen zu streben, die mehr als Geld sind.

Dies kann durch die Bildung solidarischer Gemeinschaften, die sich mit dem Geistesleben auseinander setzen geschehen. Durch Handeln kann die Macht des Geldes, beispielsweise in der Kultur, eingeschraenkt werden. So arbeitet ein Kuenstler nicht allein des Geldes wegen, sondern habe die Moeglichkeit, sich in seiner Arbeit geistig selbst zu verwirklichen.
Soweit Georg Simmel.

Nehmen Sie bitte Platz...
 
Er hat uns mit seinen Gedanken genau zu diesem Ort gebracht, wo ein Einzelner versuchen will, im Rahmen seiner Moeglichkeiten fuer die Kunst zu handeln, ohne sein Handeln vom Einfluss des Geldes abhaengig zu machen.

Nach etlichen Jahren des als non plus ultra fuer unsere Gesellschaft apostrophierten Kultursponsorings  durch "das Geld" zeigt sich immer deutlicher, das die fruehen Kritiker mit ihren Befuerchtungen Recht behalten haben. Das Geld hat, wie von Simmel vorhergesagt, seine Machtposition schamlos ausgenutzt und eine Nivellierung der Kuenste zu kaeuflichen Huren durchgesetzt.
Um den Kreis zu den religioesen Fundamentalisten zu schließen sei noch darauf verwiesen, dass die Aussage von Simmel: "Geld wird Gott" eine, wie ich meine, satanische Entsprechung in der Aussage vieler christlicher Gemeinschaften findet: Wenn der Herr Jesus Dich lieb hat, zeigt sich das auch in deinem finanziellen Wohlergehen. Je wohlhabender einer ist,  desto mehr von Gottes Segen ruht angeblich auf ihm.

Wir erschoepfen uns in der Welt des Geldes und merken erst sehr langsam, dass man Geld nicht essen kann und dass es auch gar nicht das Brot des Lebens sein will. Im Gegenteil verlangt es nicht nur, uns schmerzlich von immer mehr Äußerungsformen unserer Gesellschaft zu verabschieden, die fuer uns "...mehr als Geld" sein koennten, also - so Simmel - unsere eigentliche Lebensbestimmung waeren. Es vernichtet auch mit einem Fingerschnipsen, wenn shareholder value es will, eine Vielzahl menschlicher Existenzen. Fuer kurzfristige Gewinne sind die Manager des Geldes sofort bereit, ihre eigenen Fachkraefte freizusetzen, ohne sich zu fragen, wer dann in der weiteren Zukunft z. B: die Autos kaufen soll, mit denen sie mehr Geld verdienen wollen.

Noch vor den abendlichen Nachrichten wird uns deshalb auch von den neuzeitlichen Schamanen die Frohe Botschaft uebermittelt, wie viel Erfolg das Geld heute wieder mit sich selbst errungen hat, ohne zu erwaehnen, auf wessen Kosten.

Die Kuenstler waren davon schon immer bedroht, nun aber erleben wir, dass der Hunger des Geldes nicht vor der ganzen Gesellschaft halt macht. Da das Geld nur auf sich selbst fokussiert ist, entzieht es z. B. dem Staat alle Mittel, die erforderlich waeren, um das "mehr als Geld" - also das eigentliche gesellschaftliche Leben, was ja ueberhaupt erst unser Leben ausmacht - gestalten zu koennen. Die Kommunen beklagen schon seit vielen Jahren, dass die so genannte "freie Spitze" bei der Gestaltung von Haushaltsplaenen gegen Null geschmolzen ist.

Deshalb koennen wir froh und dankbar sein, dass der Lebensweg des Malers und Bildhauers Marek Tomitzki ihn seit den 80er Jahren von Polen ueber die Vereinigten Staaten, und spaeter Kanada, erstaunlicherweise endlich nach Halver gefuehrt hat. Neben seiner eigenen Arbeit moechte er mit dieser kleinsten Freiluftgalerie das kulturelle Angebot unserer Stadt bereichern. Im monatlichen Wechsel wird eine neue Arbeit eines Kuenstlers gezeigt. Nach dem vorher gesagten erscheint noch der Hinweis wichtig, dass er damit keine finanziellen Interessen verfolgen will. Er moechte uns damit nur c im Sinne von "mehr als Geld" - eine Freude machen und wir koennen ihm nur allen erdenklichen Erfolg dazu wuenschen.

Es wird also eine Galerie im eigentlichen Wortsinn, ein bevorzugter Platz, um etwas zu zeigen und bekannt zu machen, nicht ein Marktplatz des Geldes, wie eine Kunstgalerie heute oft verstanden werden muss.

Den Auftakt macht die Kollegin Irmlind Vormann mit

einer informellen Arbeit mit dem zur Jahreszeit passenden Titel:

"Winterlandschaft"

 Winterlandschaft von Irmlind Vormann

Die informellen Arbeiten der Kuenstlerin stellen nicht dar, sie eroeffnen dem Betrachter neue Assoziationsmoeglichkeiten und ziehen ihn damit in eine eigene Welt.

Irmlind Vormann ist 1953 in Muenster geboren. Nach dem Abitur und dem Studium an der muensteraner Abteilung der Duesseldorfer Kunstakademie machte sie das erste und zweite Staatsexamen fuer das Lehramt.
Sie lebt und arbeitet in Luedenscheid, dort ist sie auch Lehrerin an der Gesamtschule.